2.3
Die Steuer- und Finanzpolitik der solidarischen Gesellschaft
Die
Folgen der vom Neoliberalismus geprägten Steuer- und Finanzpolitik
sind die Staatsverschuldung und die extrem ansteigenden Umsätze an
den internationalen Finanzmärkten und Börsen. Das von der
Gesellschaft erarbeitete Kapital wird zu einem sehr großen Teil für
spekulative Zwecke missbraucht, statt in der realen Wirtschaft
reinvestiert zu werden. Diese Politik ist die Ursache für die immer
häufiger auftretenden Krisen und die Spaltung
der Gesellschaft. Eine kleine Gruppe von immer reicheren
Kapitalbesitzern steht einer wachsenden Gruppe von Menschen
gegenüber, die an oder unter der
Armutsgrenze leben.
Die
solidarische zukunftsfähige Gesellschaft muss diese Politik
grundlegend verändern.
Die
erforderliche große Steuerreform
In
den letzten 3 Jahrzehnten stieg die Staatsverschuldung in Deutschland
um rund 1.800 Mrd. € auf jetzt über 2.100 Mrd. €. Dieser Betrag
entspricht etwa den Nettolöhnen und -gehältern in 3 Jahren oder
fast dem gesamten Steueraufkommen in 4 Jahren. Es ist völlig
ausgeschlossen, dass diese Beträge in einer absehbaren Zeit
zurückbezahlt werden können, wenn an der Besteuerung nichts
Grundsätzliches verändert wird.
Fällige
Rückzahlungen wurden immer nur durch neue Kredite umgeschuldet,
zusätzlich wurden Jahr für Jahr weitere Kredite aufgenommen. In
mehreren Jahren war die Neuverschuldung höher als die Investitionen.
Die Staatsverschuldung ist eine Folge der falsch interpretierten
Vorschläge von J.M. Keynes zur Überwindung von Krisen und sie ist
ein Resultat der seit den 80er Jahren erfolgten neoliberalen Politik
mit Steuersenkungen,
insbesondere der Steuersenkungen für Gewinne, für Kapitaleinkommen,
der Absenkung des Spitzensteuersatzes und der Erbschaftssteuer, sowie
des Aussetzens der Vermögenssteuer und die Abschaffung der
Börsenumsatzsteuer.
Gleichzeitig
stieg das Geldvermögen der privaten Haushalte von 760 Mrd. € im
Jahr 1980 auf 4 715 Mrd. € im Jahr 2011, also um 3 955 Mrd. €.
Grund ist die Geldanhäufung auf den Konten der reichsten 10 Prozent
und der superreichen 0,1 Prozent der Bevölkerung. Und wohl bemerkt,
in dieser Summe sind die Vermögen an Realkapital von Firmen und
privaten Haushalten, also die Vermögen an Gebäuden, Maschinen,
Einrichtungen und Sachwerten, die schon schuldenfrei bezahlt sind,
noch nicht mit eingerechnet, die kommen noch hinzu! Es ist längst
klar, dass nur mit Steuern auf die laufenden Einnahmen die
Staatsverschuldung nicht abgetragen werden kann.
Da
die Staatsverschuldung in höchstem Maße sozial ungerecht ist, denn
sie zementiert und verstärkt die Verteilungsungerechtigkeit für
Jahrzehnte, ist eine wirklich große Steuerreform unabdingbar, die
etwa 80 – 100 Mrd. € pro Jahr zusätzlich an Steuern einbringen
muss. 80 Mrd. € müssen ausschließlich zum Abbau der
Staatsschulden verwendet werden, damit die Schulden der öffentlichen
Haushalte innerhalb der nächsten 12 Jahre halbiert werden.
Wenn
dies nicht erfolgt, dann muss die kommende Generation nicht nur die
höheren Investitionen zur Bewältigung des ökologischen Umbaus
schultern und die höheren Soziallasten tragen, die aufgrund des
demographischen Wandels unvermeidbar sind, sondern auch die Lasten
aus der Staatsverschuldung übernehmen. Dies wäre eine glatte
Überforderung, die unbedingt verhindert werden muss.
Um
das Ziel des Schuldenabbaus zu erreichen, schlagen wir vor, dass im
Wesentlichen wieder die Steuern und die Steuersätze so erhoben
werden, wie sie Ende der 80er Jahre bestanden, es ist also gar nichts
revolutionäres erforderlich. Dass bedeutet, dass die Vermögenssteuer
wieder eingeführt, die Erbschaftssteuer erhöht und der
Spitzensteuersatz für die Einkommenssteuer wieder angehoben wird.
Die Körperschaftssteuer muss einer Progressionskurve unterliegen,
ähnlich der Progression der Einkommenssteuer. Die
Kapitalertragssteuer wird wieder dynamisiert und mit der
Einkommensteuer berechnet, Freibeträge für geringe Kapitaleinkommen
bleiben bestehen. Die Mehrwertsteuersätze bleiben unverändert, es
sollte aber eine Bereinigung bei der Zuordnung zu den niedrigeren und
höheren Steuersätzen geben.
Es
müssen auch die Steuerschlupflöcher systematisch geschlossen werden
und Steuerhinterziehungen müssen streng verfolgt und geahndet
werden. Es ist damit zu rechnen, dass dadurch die Steuereinnahmen um
weitere 30 - 40 Mrd. € ansteigen werden.
Manche
werden nun argumentieren, dass durch die höheren Steuern den
Unternehmen die finanzielle Basis für Investitionen entzogen wird,
oder dass höhere Steuern Gift sei für die Wirtschaft. Diese
Argumente sind hinlänglich bekannt, aber sie sind nicht zutreffend.
Das Gegenteil ist der Fall:
Wenn
die Unternehmen bei zunehmenden Gewinnen höher und sogar progressiv
besteuert werden, dann werden sie mehr investieren, um der höheren
Besteuerung zu entgehen, und das ist gut so, denn dadurch rüsten sie
sich für die Zukunft.
Fakt
ist, dass die Netto-Investitionen nach der großen rot/grünen
Steuerreform von 7 % des BIP auf 2,3 % eingebrochen sind und seit dem
nie mehr höher lagen als 3,4 % des BIP. In den letzten 10 Jahren
wurde in Deutschland weniger investiert, als im Durchschnitt der
OECD-Staaten. Die Unternehmen haben also die Steuergeschenke nicht
für mehr Investitionen genutzt, wie das erwartet wurde - die
Steuersenkung war ein riesiger Flop.
Die
Folge war und ist, dass die Steuergeschenke nicht für Investitionen
in der Realwirtschaft genutzt wurden, sondern in den Finanzkasinos
landeten und zu der Krise beigetragen haben, die unser Finanzsystem
beinahe in den Abgrund zog.
So
waren die Steuersenkungen in dreifacher Weise der Grund für die hohe
Staatsverschuldung:
-
weil sie bei der Einführung zu Steuerausfällen führte,
-
weil sie die Spekulation an den Finanzmärkten befeuerte und zur Finanz- und Wirtschaftskrise führte, was die Steuereinnahmen zusätzlich senkte und
-
weil zur Eindämmung der Krise und zur Rettung der Banken über 480 Mrd. € aufgebracht werden mussten.
So
kann es beim besten Willen nicht weitergehen!!
Mit
der vorgeschlagenen Politik der Solidität wird die Basis für eine
wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität geschaffen. Dies
ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Unternehmen ihre
Zukunft planen können.
Die
höhere Besteuerung ist auch eine Frage der ausgleichenden
Gerechtigkeit. In den letzten 15 Jahren sind die unteren bis
mittleren Einkommen real zurückgegangen, was eine wesentliche
Unterstützung für die Exporterfolge war. Dadurch sind die Gewinne
der Unternehmen deutlich gestiegen und die höheren Gehälter haben
munter zugelegt.
Jetzt
wird es höchste Zeit, dass die Lasten der Staatsschulden auf die
Schultern übertragen werden, die von der vergangenen Politik kräftig
profitiert haben.
Das
Ende der Liberalisierung der Finanzmärkte
Die
großen Krisen, in denen wir uns seit 2008 befinden, wurden uns von
den entfesselten Finanzmärkten eingebrockt. Die völlige
Liberalisierung der Finanzmärkte war eine der Kernforderungen des
neoliberalen Monetarismus, dadurch würde das Kapital dort investiert
werden, wo es der Gesellschaft den größten Nutzen bringen würde.
Ganz unauffällig wurde aber schon im Laufe der Zeit die Formulierung
etwas geändert, nämlich, das Kapital solle dort investiert werden,
wo es die größten Gewinne erzielt. Das ist aber bei weitem nicht
das gleiche. Tatsächlich wurde das Kapital mehr und mehr dort
eingesetzt, wo es die höchsten Gewinne erzielte, nämlich in der
Spekulation, genau da werden aber überhaupt keine Werte geschaffen.
Im Gegenteil, in der Krise mussten allein von den 10 wichtigsten
Industrieländern etwa 5 000 Mrd. € zur Stützung und Rettung der
Banken aufgewendet werden, um einen kompletten Kollaps der Wirtschaft
zu vermeiden. (Steinbrück „Unterm Strich“ Seite 61)
Das
spekulative Treiben an den Finanzmärkten kann nicht von einem Land
völlig unterbunden werden, aber das was möglich ist, und das ist
nicht wenig, muss national veranlasst werden.
Es
wird vorgeschlagen, dass in Deutschland folgende Maßnahmen
veranlasst werden:
-
Alle deutschen Banken müssen ihre sogenannten Zweckgesellschaften schließen, sowohl im Inland wie im Ausland.
-
Deutsche Banken dürfen nicht mehr an Rohstoff- und Nahrungsmittelbörsen spekulieren und sie dürfen sich nicht an der Spekulation mit Derivaten und Kreditverbriefungen beteiligen, auch nicht im Auftrag der Kunden. Das gilt auch für alle ihre Filialen, die sie in anderen Ländern unterhalten, und es gilt für alle Filialen von ausländischen Banken und Fonds in Deutschland.
-
Deutsche Banken dürfen keine Filialen in Steueroasen unterhalten.
-
Deutsche Banken dürfen eine Bilanzsumme von etwa 250 Mrd. € nicht überschreiten, damit der mögliche Konkurs einer Bank nicht das gesamte Bankensystem gefährdet.
-
Den Hedge-Fonds wird so schnell wie möglich die Zulassung wieder entzogen.
-
Warenbörsen in Deutschland müssen ihre Satzungen so verändern, dass niemand eine Zulassung sowohl zum Kauf wie auch zum Verkauf erhalten kann, dadurch wird die Spekulation unterbunden.
-
Die Börsenumsatzsteuer wird wieder eingeführt.
-
Das Aktiengesetz muss dahingehend verändert werden, dass für die Ausschüttung von Dividenden und für die Ausübung des Stimmrechts die Aktie mindestens 2 Jahre im Besitz des Aktionärs sein muss. Der Millisekunden-Handel wird verboten.
-
Banken müssen Kredite, die von ihren KundInnen zum Kauf von spekulativen Wertpapieren verwendet werden, zu 50 % mit Eigenkapital hinterlegen.
-
Banken, Anlageberater, Anwaltskanzleien und Steuerberater, die ihre Kunden zu Steuerhinterziehungen animieren oder ihnen dabei behilflich sind, verlieren ihre Zulassung.
Diese
Maßnahmen müssen mit den anderen Staaten diskutiert und ihre
Umsetzung so schnell wie möglich betrieben werden. Zusätzlich ist
die Finanztransaktionssteuer möglichst rasch und umfassend
einzuführen.
Als
weiteren großen Schritt ist anzustreben, dass in den Eurostaaten das
Vollgeld-Prinzip eingeführt wird. Das bedeutet, dass nur noch die
EZB mit den Zentralbanken der Mitgliedsstaaten die Geldmenge
bestimmt. Die Geschäftsbanken dürfen dann nur noch in der Höhe
Kredite vergeben, wie sie von ihren Kunden Spar- und
Termingeldeinlagen haben. Werden mehr Kredite nachgefragt, können
sie sich bei anderen Banken oder bei der Zentralbank refinanzieren.
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