Mittwoch, 30. September 2015

Steuer- und Finanzpolitik

2.3 Die Steuer- und Finanzpolitik der solidarischen Gesellschaft

Die Folgen der vom Neoliberalismus geprägten Steuer- und Finanzpolitik sind die Staatsverschuldung und die extrem ansteigenden Umsätze an den internationalen Finanzmärkten und Börsen. Das von der Gesellschaft erarbeitete Kapital wird zu einem sehr großen Teil für spekulative Zwecke missbraucht, statt in der realen Wirtschaft reinvestiert zu werden. Diese Politik ist die Ursache für die immer häufiger auftretenden Krisen und die Spaltung der Gesellschaft. Eine kleine Gruppe von immer reicheren Kapitalbesitzern steht einer wachsenden Gruppe von Menschen gegenüber, die an oder unter der Armutsgrenze leben.

Die solidarische zukunftsfähige Gesellschaft muss diese Politik grundlegend verändern.

Die erforderliche große Steuerreform
In den letzten 3 Jahrzehnten stieg die Staatsverschuldung in Deutschland um rund 1.800 Mrd. € auf jetzt über 2.100 Mrd. €. Dieser Betrag entspricht etwa den Nettolöhnen und -gehältern in 3 Jahren oder fast dem gesamten Steueraufkommen in 4 Jahren. Es ist völlig ausgeschlossen, dass diese Beträge in einer absehbaren Zeit zurückbezahlt werden können, wenn an der Besteuerung nichts Grundsätzliches verändert wird.

Fällige Rückzahlungen wurden immer nur durch neue Kredite umgeschuldet, zusätzlich wurden Jahr für Jahr weitere Kredite aufgenommen. In mehreren Jahren war die Neuverschuldung höher als die Investitionen. Die Staatsverschuldung ist eine Folge der falsch interpretierten Vorschläge von J.M. Keynes zur Überwindung von Krisen und sie ist ein Resultat der seit den 80er Jahren erfolgten neoliberalen Politik mit Steuersenkungen, insbesondere der Steuersenkungen für Gewinne, für Kapitaleinkommen, der Absenkung des Spitzensteuersatzes und der Erbschaftssteuer, sowie des Aussetzens der Vermögenssteuer und die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer.

Gleichzeitig stieg das Geldvermögen der privaten Haushalte von 760 Mrd. € im Jahr 1980 auf 4 715 Mrd. € im Jahr 2011, also um 3 955 Mrd. €. Grund ist die Geldanhäufung auf den Konten der reichsten 10 Prozent und der superreichen 0,1 Prozent der Bevölkerung. Und wohl bemerkt, in dieser Summe sind die Vermögen an Realkapital von Firmen und privaten Haushalten, also die Vermögen an Gebäuden, Maschinen, Einrichtungen und Sachwerten, die schon schuldenfrei bezahlt sind, noch nicht mit eingerechnet, die kommen noch hinzu! Es ist längst klar, dass nur mit Steuern auf die laufenden Einnahmen die Staatsverschuldung nicht abgetragen werden kann.

Da die Staatsverschuldung in höchstem Maße sozial ungerecht ist, denn sie zementiert und verstärkt die Verteilungsungerechtigkeit für Jahrzehnte, ist eine wirklich große Steuerreform unabdingbar, die etwa 80 – 100 Mrd. € pro Jahr zusätzlich an Steuern einbringen muss. 80 Mrd. € müssen ausschließlich zum Abbau der Staatsschulden verwendet werden, damit die Schulden der öffentlichen Haushalte innerhalb der nächsten 12 Jahre halbiert werden.

Wenn dies nicht erfolgt, dann muss die kommende Generation nicht nur die höheren Investitionen zur Bewältigung des ökologischen Umbaus schultern und die höheren Soziallasten tragen, die aufgrund des demographischen Wandels unvermeidbar sind, sondern auch die Lasten aus der Staatsverschuldung übernehmen. Dies wäre eine glatte Überforderung, die unbedingt verhindert werden muss.

Um das Ziel des Schuldenabbaus zu erreichen, schlagen wir vor, dass im Wesentlichen wieder die Steuern und die Steuersätze so erhoben werden, wie sie Ende der 80er Jahre bestanden, es ist also gar nichts revolutionäres erforderlich. Dass bedeutet, dass die Vermögenssteuer wieder eingeführt, die Erbschaftssteuer erhöht und der Spitzensteuersatz für die Einkommenssteuer wieder angehoben wird. Die Körperschaftssteuer muss einer Progressionskurve unterliegen, ähnlich der Progression der Einkommenssteuer. Die Kapitalertragssteuer wird wieder dynamisiert und mit der Einkommensteuer berechnet, Freibeträge für geringe Kapitaleinkommen bleiben bestehen. Die Mehrwertsteuersätze bleiben unverändert, es sollte aber eine Bereinigung bei der Zuordnung zu den niedrigeren und höheren Steuersätzen geben.

Es müssen auch die Steuerschlupflöcher systematisch geschlossen werden und Steuerhinterziehungen müssen streng verfolgt und geahndet werden. Es ist damit zu rechnen, dass dadurch die Steuereinnahmen um weitere 30 - 40 Mrd. € ansteigen werden.

Manche werden nun argumentieren, dass durch die höheren Steuern den Unternehmen die finanzielle Basis für Investitionen entzogen wird, oder dass höhere Steuern Gift sei für die Wirtschaft. Diese Argumente sind hinlänglich bekannt, aber sie sind nicht zutreffend. Das Gegenteil ist der Fall:
Wenn die Unternehmen bei zunehmenden Gewinnen höher und sogar progressiv besteuert werden, dann werden sie mehr investieren, um der höheren Besteuerung zu entgehen, und das ist gut so, denn dadurch rüsten sie sich für die Zukunft.
Fakt ist, dass die Netto-Investitionen nach der großen rot/grünen Steuerreform von 7 % des BIP auf 2,3 % eingebrochen sind und seit dem nie mehr höher lagen als 3,4 % des BIP. In den letzten 10 Jahren wurde in Deutschland weniger investiert, als im Durchschnitt der OECD-Staaten. Die Unternehmen haben also die Steuergeschenke nicht für mehr Investitionen genutzt, wie das erwartet wurde - die Steuersenkung war ein riesiger Flop.

Die Folge war und ist, dass die Steuergeschenke nicht für Investitionen in der Realwirtschaft genutzt wurden, sondern in den Finanzkasinos landeten und zu der Krise beigetragen haben, die unser Finanzsystem beinahe in den Abgrund zog.
So waren die Steuersenkungen in dreifacher Weise der Grund für die hohe Staatsverschuldung:
  1. weil sie bei der Einführung zu Steuerausfällen führte,
  2. weil sie die Spekulation an den Finanzmärkten befeuerte und zur Finanz- und Wirtschaftskrise führte, was die Steuereinnahmen zusätzlich senkte und
  3. weil zur Eindämmung der Krise und zur Rettung der Banken über 480 Mrd. € aufgebracht werden mussten.

So kann es beim besten Willen nicht weitergehen!!

Mit der vorgeschlagenen Politik der Solidität wird die Basis für eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität geschaffen. Dies ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Unternehmen ihre Zukunft planen können.

Die höhere Besteuerung ist auch eine Frage der ausgleichenden Gerechtigkeit. In den letzten 15 Jahren sind die unteren bis mittleren Einkommen real zurückgegangen, was eine wesentliche Unterstützung für die Exporterfolge war. Dadurch sind die Gewinne der Unternehmen deutlich gestiegen und die höheren Gehälter haben munter zugelegt.
Jetzt wird es höchste Zeit, dass die Lasten der Staatsschulden auf die Schultern übertragen werden, die von der vergangenen Politik kräftig profitiert haben.

Das Ende der Liberalisierung der Finanzmärkte
Die großen Krisen, in denen wir uns seit 2008 befinden, wurden uns von den entfesselten Finanzmärkten eingebrockt. Die völlige Liberalisierung der Finanzmärkte war eine der Kernforderungen des neoliberalen Monetarismus, dadurch würde das Kapital dort investiert werden, wo es der Gesellschaft den größten Nutzen bringen würde. Ganz unauffällig wurde aber schon im Laufe der Zeit die Formulierung etwas geändert, nämlich, das Kapital solle dort investiert werden, wo es die größten Gewinne erzielt. Das ist aber bei weitem nicht das gleiche. Tatsächlich wurde das Kapital mehr und mehr dort eingesetzt, wo es die höchsten Gewinne erzielte, nämlich in der Spekulation, genau da werden aber überhaupt keine Werte geschaffen. Im Gegenteil, in der Krise mussten allein von den 10 wichtigsten Industrieländern etwa 5 000 Mrd. € zur Stützung und Rettung der Banken aufgewendet werden, um einen kompletten Kollaps der Wirtschaft zu vermeiden. (Steinbrück „Unterm Strich“ Seite 61)

Das spekulative Treiben an den Finanzmärkten kann nicht von einem Land völlig unterbunden werden, aber das was möglich ist, und das ist nicht wenig, muss national veranlasst werden.
Es wird vorgeschlagen, dass in Deutschland folgende Maßnahmen veranlasst werden:

  1. Alle deutschen Banken müssen ihre sogenannten Zweckgesellschaften schließen, sowohl im Inland wie im Ausland.
  2. Deutsche Banken dürfen nicht mehr an Rohstoff- und Nahrungsmittelbörsen spekulieren und sie dürfen sich nicht an der Spekulation mit Derivaten und Kreditverbriefungen beteiligen, auch nicht im Auftrag der Kunden. Das gilt auch für alle ihre Filialen, die sie in anderen Ländern unterhalten, und es gilt für alle Filialen von ausländischen Banken und Fonds in Deutschland.
  3. Deutsche Banken dürfen keine Filialen in Steueroasen unterhalten.
  4. Deutsche Banken dürfen eine Bilanzsumme von etwa 250 Mrd. € nicht überschreiten, damit der mögliche Konkurs einer Bank nicht das gesamte Bankensystem gefährdet.
  5. Den Hedge-Fonds wird so schnell wie möglich die Zulassung wieder entzogen.
  6. Warenbörsen in Deutschland müssen ihre Satzungen so verändern, dass niemand eine Zulassung sowohl zum Kauf wie auch zum Verkauf erhalten kann, dadurch wird die Spekulation unterbunden.
  7. Die Börsenumsatzsteuer wird wieder eingeführt.
  8. Das Aktiengesetz muss dahingehend verändert werden, dass für die Ausschüttung von Dividenden und für die Ausübung des Stimmrechts die Aktie mindestens 2 Jahre im Besitz des Aktionärs sein muss. Der Millisekunden-Handel wird verboten.
  9. Banken müssen Kredite, die von ihren KundInnen zum Kauf von spekulativen Wertpapieren verwendet werden, zu 50 % mit Eigenkapital hinterlegen.
  10. Banken, Anlageberater, Anwaltskanzleien und Steuerberater, die ihre Kunden zu Steuerhinterziehungen animieren oder ihnen dabei behilflich sind, verlieren ihre Zulassung.

Diese Maßnahmen müssen mit den anderen Staaten diskutiert und ihre Umsetzung so schnell wie möglich betrieben werden. Zusätzlich ist die Finanztransaktionssteuer möglichst rasch und umfassend einzuführen.


Als weiteren großen Schritt ist anzustreben, dass in den Eurostaaten das Vollgeld-Prinzip eingeführt wird. Das bedeutet, dass nur noch die EZB mit den Zentralbanken der Mitgliedsstaaten die Geldmenge bestimmt. Die Geschäftsbanken dürfen dann nur noch in der Höhe Kredite vergeben, wie sie von ihren Kunden Spar- und Termingeldeinlagen haben. Werden mehr Kredite nachgefragt, können sie sich bei anderen Banken oder bei der Zentralbank refinanzieren. 

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