Dienstag, 22. September 2015

Wege zum Klimaschutz

In Etappen zum Ziel

1. Wege zum Klimaschutz, zu einer effizienten Rohstoffnutzung und einem suffizienten Konsum

Die zukünftige Knappheit der Rohstoffe und der von uns Menschen verursachte Klimawandel erfordern eine grundlegende Veränderung unserer Produktions- und Konsumweise. Die Frage ist jedoch: Wie erreichen wir diesen Wandel unseres Konsumverhaltens und unserer Wirtschaftsweise? Mit Appellen werden wir das Ziel nicht erreichen. Reiner Klingholz schreibt in seinem Buch „Sklaven des Wachstums“ auf Seite 90: Es ist geradezu absurd, die Welt über Appelle verbessern zu wollen.

Wir wissen heute noch nicht, mit welchen technologischen Veränderungen die erforderlichen Effizienzsteigerungen erreichbar sind, deshalb können wir sie auch nicht mit planwirtschaftlichen Methoden vorgeben, und wir können nicht vorschreiben, was jeder konsumieren darf.

Das Klimaschutzziel wird wohl nur dann erreichbar sein, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden:
  1. Die Möglichkeit zur effektiven Beschränkung des Treibhausgas-Ausstoßes ist unabdingbar.
  2. Bei allen Produkten und Dienstleistungen muss erkennbar sein, welche Menge an Treibhausgasen bei der Herstellung entstanden sind und wie viele bei ihrer Nutzung entstehen, damit alle Produzenten und alle KonsumentInnen mit ihrer ganzen Kreativität ihren Beitrag zur Lösung des Problems leisten können.
  3. Die Ökologisierung unserer Wirtschaft gibt es nicht zum Nulltarif. Es ist damit zu rechnen, dass die Lebenshaltungskosten steigen werden, was die Menschen mit geringen Einkommen erheblich belasten wird. Die Konzeption muss deshalb auch eine soziale Komponente beinhalten.

Innerhalb der EU wurde das Emissionshandelssystem eingeführt, um das Klimaschutzziel zu erreichen.

Das bisher praktizierte System hat aber sechs gravierende Nachteile:
  1. Es erfasst nur etwa 45 % des CO2-Ausstoßes, andere Treibhausgase werden gar nicht erfasst.
  2. Es ist für die zwangsläufig entstehenden Preissteigerungen kein sozialer Ausgleich vorgesehen.
  3. Das System bietet keine Möglichkeit der Preistransparenz; es ist dem Produktpreis nicht anzusehen, wie hoch der Zertifikate-Kostenanteil ist.
  4. Die Zertifikate sind unbegrenzt gültig, das bedeutet, dass sie auch zu Spekulationszwecken missbraucht werden können.
  5. Das System kann eine angebotsreduzierende Wirkung verursachen; Angebotsreduzierungen führen zu Preissteigerungen und Extraprofiten.
  6. Der größte Fehler des Systems ist die Belohnung von Emissionsreduzierungen mit „Extra-Gratis“-Zertifikaten. Damit kann mit diesem System bestenfalls eine Erhöhung der Emissionen verhindert werden, eine Reduzierung ist aber nicht möglich.

Es wird vorgeschlagen, dieses System in allen EU-Mitgliedsstaaten schrittweise so zu verändern, dass das unabdingbare Klimaschutzziel von jährlich äquivalent 2 t CO2/Person bis zum Jahr 2050 erreicht werden kann. Die Administration des Systems soll in der Verantwortung jedes Landes liegen.

Die ersten Veränderungen in 4 Schritten

1. grundlegende Veränderung
Als erste und sehr wichtige Maßnahme müssen alle Kompensationsmöglichkeiten und die Ausgabe von Extra-Gratis-Zertifikaten für die Reduzierung von Emissionen abgeschafft werden. Es ist völlig abwegig, die Reduzierung von Emissionen zu belohnen. Auch die kostenlose Ausgabe von Zertifikaten ist einzustellen. Es müssen in Zukunft für alle Emissionen Zertifikate erworben werden, die einzige „Belohnung“ für Emissionsreduzierungen besteht darin, dass weniger Zertifikate gekauft werden müssen.

Im 2. Schritt wird das System auf die Erfassung aller Treibhausgase ausgeweitet. Die dafür erforderlichen Daten sind größtenteils schon vorhanden, sie müssen nur angewandt werden. Damit das System möglichst einfach bleibt, müssen Unternehmen, die fossile Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas den Lagerstätten entnehmen oder importieren, die dafür erforderlichen Emissionszertifikate (EZ) erwerben. Gleiches gilt für Produktionsprozesse bei denen Treibhausgase entstehen, wie z.B. bei der Herstellung von Salpetersäure, Nylon und in der Landwirtschaft, bei denen Klimagase wie Lachgas und Methan emittiert werden. Die Menge der zu erwerbenden Zertifikate ergibt sich aus der zu Kohlendioxid äquivalenten Klimawirkung. Die Preise der Produkte beinhalten dann die Kosten für den Erwerb der Zertifikate. Die Menge an erwerbbaren EZ wird in jedem Land so reduziert, dass bis zum Jahr 2050 der geforderte Zielwert von äquivalent 2 t CO2/Person und Jahr erreicht wird. Für Deutschland bedeutet das eine Reduzierung von über 5 %/Jahr, wenn das System im Jahr 2015 eingeführt würde.

Der Vorschlag sieht vor, dass die verfügbaren EZ ab dem 2. Jahr der Einführung dieser Veränderung versteigert werden, damit ist gewährleistet, dass die Reduzierungen dort vorgenommen werden, wo es gesamtwirtschaftlich am günstigsten ist. Einen Handel mit Zertifikaten soll es nicht mehr geben, und auch die Möglichkeiten zur Erlangung von „Gutschriften“ von Zertifikaten werden eingestellt.

Die erforderliche Reduzierung des Treibhausgasausstoßes ist eine sehr große Herausforderung, vor allem deshalb, weil sie jetzt in sehr kurzer Zeit erfolgen muss, und wir müssen uns im Klaren sein, dass dieses Ziel nicht zum Nulltarif erreichbar ist. Die Versteigerung der EZ führt zu Preissteigerungen, sie erfordert daher einen sozialen Ausgleich für KonsumentInnen mit geringen Einkommen.

Es wird deshalb vorgeschlagen, dass in einem 3. Schritt die Einnahmen aus der Versteigerung der EZ an alle Bürger/Innen in gleicher Höhe ausbezahlt werden. Dadurch erhalten alle, die mit ihrem Konsum eine unterdurchschnittliche Menge an Treibhausgasen verursachen, einen Bonus.

Damit das Reduktionsziel erreicht werden kann, ist es zwingend erforderlich, dass alle Unternehmen und alle KonsumentInnen, bei jedem Produkt und bei jeder Dienstleistung sehen, wie viel Treibhausgase bei ihrer Bereitstellung entstanden sind, bzw. wie hoch der EZ-Kostenanteil am Gesamtpreis ist. Deshalb beinhaltet der Vorschlag, dass in einem 4. Schritt die Unternehmen verpflichtet werden, den Kostenanteil für den Erwerb der EZ beim Verkaufspreis eines jeden Produktes oder einer Dienstleistung separat auszuweisen, so wie auch die MwSt. separat ausgewiesen wird. Für die Unternehmen, die keine EZ kaufen müssen, ist der EZ-Kostenanteil ein durchlaufender Posten.

Damit die Unternehmen gegenüber ausländischen Herstellern, die vielleicht geringere oder gar keine EZ-Kosten haben, nicht benachteiligt werden, werden bei der Ein- und Ausfuhr von Waren die EZ-Ausgaben, ebenso wie die MwSt., bei der Ausfuhr erstattet und bei der Einfuhr in der Höhe erhoben, wie sie bei der Inlandsproduktion des Produktes angefallen wären. Dadurch haben alle Unternehmen die gleichen Chancen.

Diese 4 Verbesserungen des EU-Emissionszertifikatesystems werden folgende Auswirkungen haben:
  1. Dadurch, dass der Ausstoß aller Treibhausgase erfasst wird und für alle Treibhausgase EZ ersteigert werden müssen, ist es möglich, die Reduzierung auf 2 t CO2- äquivalent pro Person und Jahr zu erreichen, ohne dass zusätzliche Vorschriften erlassen werden.
  2. Durch die Rücküberweisung der Einnahmen aus der Versteigerung der EZ werden Menschen mit geringem Einkommen und unterdurchschnittlichem Konsum nicht belastet, sondern entlastet.
  3. Durch die Kosten-Transparenz ist es möglich, dass alle für sich frei entscheiden können, wie sie ihren Ausstoß an Treibhausgase reduzieren wollen.
  4. Auch für die Unternehmen ist diese Kostentransparenz von großer Bedeutung, dadurch ersehen sie, mit welchen Maßnahmen sie den EZ-Kostenanteil am günstigsten reduzieren können.
  5. Da bei der Verarbeitung von Rohstoffen und beim Gütertransport Treibhausgase entstehen, hat diese neue Konzeption des Emissionszertifikatesystems eine umfassende Wirkung:
  • Es werden immer weniger Rohstoffen verbraucht werden.
  • Die Verkehrsbelastung und der Flächenverbrauch wird zurückgehen,
  • Es werden reparierbare Produkte auf den Markt kommen
  • Es werden neue Arbeitsplätze entstehen und
  • Die biologische Landwirtschaft wird sich durchsetzen, da sie ohne Kunstdünger wirtschaftet, weit weniger Lachgas produziert und durch die Humusanreicherung Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Boden bindet und deshalb sehr viel weniger EZ ersteigern muss.

Das Problem der angebotsreduzierenden und möglicherweise preissteigernden Wirkung ist damit jedoch noch nicht gelöst. Dieser Effekt wird dann auftreten, wenn mehr Treibhausgas verursachende Produkte nachgefragt werden, als EZ zur Verfügung stehen.

Die Revolutionierung des Systems
Wenn sich diese Situation der Angebotsreduzierung abzeichnet, dann muss das System in einem 5. Schritt revolutioniert werden, in dem die EZ nicht mehr von den Unternehmen ersteigert werden müssen, sondern sie werden dann an alle KonsumentInnen in gleicher Höhe kostenlos ausgegeben und die Unternehmen müssen die bei ihrer Produktion erforderlichen EZ an die Behörde abgeben, die bis dahin die EZ ausgab. Damit die Unternehmen dazu in der Lage sind, müssen sie beim Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen nicht nur Euro in Rechnung stellen, sondern auch die für die Herstellung der Produkte erforderlichen EZ. Alle beim gesamten Herstellungsprozess erforderlichen EZ werden von den KonsumentInnen mit den ihnen zugeteilten EZ „bezahlt“.

Die Emissionszertifikate haben dann die Funktion einer parallelen Währung. Da die Ausgabe dieser „Währung“ ebenfalls von Jahr zu Jahr reduziert wird, kann damit der Ausstoß der Treibhausgase ebenso reduziert werden, nur mit dem Unterschied, dass es keine angebotsreduzierende und dadurch preissteigernde Wirkung hat, sondern eher eine Nachfrage reduzierende und dadurch eher preis-stabilisierende Wirkung.

KonsumentInnen, die weniger EZ benötigen als sie erhalten, können die überschüssigen EZ an diejenigen verkaufen, die für ihren Konsum mehr EZ benötigen, als sie zugeteilt bekommen. Für Menschen mit geringem EZ-Bedarf hat dieses System die Wirkung eines bescheidenen bedingungslosen Grundeinkommens.

Auswirkungen der Systemänderung
Die zuvor geschilderten Vorteile werden mit diesem 5. Schritt noch verstärkt werden. Es ist sogar zu erwarten, dass sich dadurch ganz neue gesellschaftliche Praktiken durchsetzen werden, wie z.B. eine Praxis des Austauschens und Teilens und es wird sich eine Mentalität der Genügsamkeit (Suffizienz) ausbreiten. Es ist zu erwarten, dass die Gesellschaft wesentlich menschlicher wird, als dies heute der Fall ist.

Mit dieser Systemänderung wird die Selbstkontrolle über die Nachhaltigkeit der Innovationen verstärkt und es ist damit zu rechnen, dass ein ganz neues Wettbewerbsdenken entsteht. Da die Menge an verfügbaren EZ von Jahr zu Jahr immer weniger wird, können nur noch dann Gewinne erwirtschaftet werden, wenn Produkte mit extrem geringem Ausstoß von Treibhausgasen angeboten werden. Dadurch wird der menschliche Ehrgeiz für besondere Leistungen von der wachstumstreibenden Gewinnsteigerung zur Erzielung der Zukunftsfähigkeit umgeleitet.

Es ist zu erwarten, dass mit der Einführung dieser Verbesserungen zunächst die wirtschaftliche Aktivität angeregt wird, da die Unternehmen bestrebt sein werden, durch zusätzliche Investitionen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Durch die unvermeidbare stetige Abnahme der Menge an EZ ist jedoch zu erwarten, dass es im weiteren Verlauf zu einer konjunkturellen Beruhigung kommt und dass es sogar zu einer Abnahme der wirtschaftlichen Aktivität führt.

Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt muss unser heutiges, auf Wachstum angewiesenes, neoliberal-kapitalistisches Wirtschaftssystem schrittweise in ein solidarisches
Gesellschaftssystem hineinwachsen, das auch ohne Wachstum stabil ist und in dem alle Menschen ein Einkommen haben, mit dem man in Würde leben kann. Die Vorschläge hierzu werden in den Abschnitten 2 und 3 dargestellt.
Noch eine Bemerkung
Die Ausgabe der Emissionszertifikate sei eine Inwertsetzung und damit ein Verkauf der Natur, was abzulehnen sei – so wird gelegentlich argumentiert. Das ist aber ganz falsch.
Die Natur wird mit diesem veränderten System nicht verkauft, sondern die Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen wird schrittweise und ganz systematisch eingeschränkt. Ohne ein solches einschränkendes System wird die Atmosphäre grenzenlos überlastet, was zum Klimawandel führt. Außerdem erhalten mit diesem System nur die Unterprivilegierten und die Umweltbewussten einen Bonus! Unternehmensgewinne können damit nicht erzeugt werden.


Die Vorschläge und Maßnahmen, die im Kapitel 1 gemacht wurden, können ohne Veränderung der jetzigen Wirtschaftsordnung verwirklicht werden. Die einzelnen Schritte sollten ohne Zeitverlust in Angriff genommen werden, um die gestellten Klimaziele erreichen zu können.

1 Kommentar:

  1. Die Begrenzung des Klimawandels sehe ich auch als vordringliches Ziel an. Das Manifest bietet dafür einen klaren Fahrplan und eine gut durchdachte Methode. Richtig angewandt können wir damit das gewünschte Ziel erreichen. Jedoch ist die Macht der Wirtschaft und ihr Festhalten an "kostengünstigen" fossilen Energien zu stark, als dass ich mich allein auf die eine hier vorgschlagene Methode verlassen würde. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, wie der Emissionszertifikatehandel von den starken Lobbygruppen unwirksam gemacht und von kriminellen internationalen Unternehmensringen missbraucht wurde. Ich schlage vor, dass neben dem hier beschriebenen marktwirtschaftlichen Instrument des Handels mit Emissionszertifakaten und der kostenlosen Ausgabe an die Verbraucher auch alle schon bewährten Instrumente zur Emissionsbegrenzung angewandt werden. Das sind staatliche Vorschriften für Produkte und Dienstleistungen, freiwillige Zertifizierung der Arbeitsweise von Unternehmen und anderen Körperschaften, staatliche Anreize für emissionsminderndes Verhalten, öffentlicher Wettbewerb um gute fachliche Praxis sowie Schulungs- und Informationsangebote an alle gesellschaftlichen Bereiche.

    Der Klimawandel ist begrenzbar, wenn auch nicht mit einem Schlag.

    AntwortenLöschen