3.
Die Europapolitik der solidarischen Gesellschaft
Der
europäische Einigungsprozess, der nach dem 2. Weltkrieg durch die
Weitsicht einiger Staatsmänner eingeleitet wurde, ist ein
leuchtendes Beispiel für eine zukunftsweisende Politik. Die
europäischen Staaten, die viele gemeinsame kulturelle Wurzeln haben,
waren seit Jahrhunderten in Kriegen und Auseinandersetzungen
verwickelt, zum Leidwesen der Menschen.
Durch
den wirklich historischen Einigungsprozess wurde diese unglückselige,
lange andauernde geschichtliche Phase der kriegerischen
Auseinandersetzungen überwunden. Die europäische Bevölkerung kann
sich glücklich preisen, dass sie nun schon seit fast 70 Jahren in
den meisten Staaten in Europa, leider gilt das nicht für alle, in
Frieden leben können. Dies war und ist eine ganz wesentlich
Voraussetzung für die wirtschaftliche Prosperität in Europa und den
erreichten hohen Lebensstandard.
Dieses
große Einigungswerk dürfen wir nicht durch die
Staatsverschuldungskrise zerstören lassen! Nach der Finanz- und
Wirtschaftskrise von 2008, zu deren Überwindung von den 10
wichtigsten Staaten 5 Billionen € aufgewendet wurden und von den 27
EU-Staaten allein im Krisenjahr 2009 etwa 800 Mrd. neue
Staatsschulden aufgenommen wurden, ist die Krise als „Euro-Krise“
ausgebrochen.
Die
Basis für die Eurokrise wurde aber schon in all den Jahren seit der
Einführung des Euros gelegt. Es gab seit Jahren genügend Stimmen,
die darauf hinwiesen, dass eine Gemeinschaft von Staaten mit der
gleichen Währung auch die gleiche, oder zumindest eine eng
abgestimmte Wirtschafts-, Finanz-, Steuer-, Sozial- und Lohnpolitik
betreiben muss. Dies ist nicht erfolgt. Fest steht, dass es ein „sich
weiter durchwursteln“, so wie in der Vergangenheit, nicht geben
kann.
Europa
ist nun an einem ganz entscheidenden Punkt angelangt.
Der
europäische Einigungsprozess ist in der Vergangenheit vor allem von
der Wirtschaft, insbesondere von den großen Konzernen,
vorangetrieben und geprägt worden. Wirtschaftliche Interessen
standen im Mittelpunkt. Die Bevölkerung hat zwar den
Einigungsprozess ebenfalls begrüßt, sie war aber keine treibende Kraft.
Skepsis mischte sich immer stärker unter die Befürwortung der europäischen Idee, je mehr die Europapolitik vom neoliberalen Gedankengut beeinflusst und geprägt wurde. Die Bevölkerung möchte mehrheitlich ein soziales, ökologisches, solidarisches und demokratisches Europa für die Menschen und nicht ein undemokratisches, neoliberales Europa der Konzerne. Das Fehlen einer Europäischen Verfassung, die alle Bürger/innen verstehen, unterstreicht diesen Zustand.
Die
erforderlichen Veränderungen sind so einschneidend, dass sie von
einem gewählten Konvent gründlich ausgearbeitet, dann ausgiebig in
der Öffentlichkeit diskutiert und danach in allen Staaten dem Votum
der Bürger/innen vorgelegt werden müssen.
Dieser
Prozess wird wohl gut 2 - 3 Jahre dauern. Während dieser Zeit müssen
besonders die Euro-Staaten solidarisch zusammenstehen, damit die
Entscheidungen für die Zukunft auf demokratischem Wege erfolgen
können und nicht schon vorher durch das spekulative Treiben der
Finanzakteure andere Fakten geschaffen werden und dann keine Wahl
mehr möglich ist.
Es
ist zwingend erforderlich, dass zumindest die Mitgliedsländer der
EWU, ihre Wirtschafts- und Steuerpolitik eng abstimmen, und in der
gesamten EU sind die Kapital-, Unternehmens-, Vermögens- und
Erbschaftssteuern zu vereinheitlichen, damit die Staaten nicht mehr
gegeneinander ausgespielt werden und somit ihre Handlungsfähigkeit
wieder zurückgewinnen. Das Wettrennen um die niedrigsten Kapital-
und Unternehmenssteuern muss beendet werden
Zusätzlich
muss die Europäische Union den Staaten, die durch anhaltende
Handelsbilanz-Defizite und durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in
Schwierigkeiten geraten sind, bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft
helfen. Deutschland, das seit 14 Jahren einen hohen
Handelsbilanzüberschuss hat, muss sich seiner Verantwortung bewusst
werden und ihre Unternehmen auffordern, in den Defizitländern zu
investieren, oder den Defizitländern durch bilaterale Maßnahmen
Unterstützung gewähren.
Solidarität
unter den Staaten der EU erfordert auch eine Abkehr von der
Unterstützung der Steuerhinterzieher, zum Schaden der gesamten
Gemeinschaft. Nicht nur die Krisenstaaten leiden unter dieser
unsolidarischen Politik, nahezu alle Mitgliedsstaaten sind davon
betroffen. Diese (Hehler-)Politik kann nicht länger geduldet werden.
Die
neugewonnene Handlungsfähigkeit wird die EU-Staaten in die Lage
versetzen, mehr in die Zukunftsfähigkeit zu investieren. Es ist
jedoch wichtig, dass nicht nur die öffentlichen Haushalte sehr viel
mehr in die Zukunft investieren. Auch die privaten Haushalte und die
Unternehmen müssen durch geeignete politische Maßnahmen (z.B. wie
sie im Abschnitt 1 vorgeschlagen werden) dazu veranlasst werden, für
die Zukunftsfähigkeit zu investieren.
Die
Gremien der EU müssen bei der sozial-ökologischen Erneuerung eine
„Treiberrolle“ übernehmen und sie müssen dafür sorgen, dass
jeweils die besten Maßnahmen in einem Land in allen anderen Ländern
eingeführt werden. So wird die EU eine Vorreiterrolle im
sozial-ökologischen Umbauprozess einnehmen, der letztendlich
weltweit stattfinden muss.
Auch
deshalb muss der Einigungsprozess innerhalb der EU voranschreiten.
Die
Agrarpolitik ist eine starke Domäne der EU-Politik. Fast die Hälfte
des EU-Budgets wird für die Agrarpolitik, hauptsächlich für
Subventionen, verwendet. Wir sind der Meinung, dass es hier in
Zukunft Veränderungen geben muss. Die Flächenbezogene
Subventionierung aller Betriebe muss eingestellt werden. In Zukunft
kann nur noch die Ökolandwirtschaft subventioniert werden, weil sie
einen beträchtlichen Beitrag für den Klimaschutz leisten kann. Eine
flächenbezogene Subventionierung kann es sonst nur noch für
Steillagen und Böden mit geringer Bonität geben, damit sie
weiterhin bewirtschaftet werden.
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