Sonntag, 29. September 2019

Offener Brief zu den Koalitionsverhandlungen über Klimawandel


Franz Groll - Gechingen, Friedrich Naehring, Hermann Dörner und Michael Ziege - Dresden


c/o Friedrich Naehring, Bischofsweg 84, 01099 Dresden, friedrich@naehring.info

Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin

per e-Mail und Briefpost
02.09.2019

Offener Brief zu den Koalitionsverhandlungen über Klimawandel



Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

in den vergangenen Jahren haben wir unsere Vorschläge den jeweiligen Bundesumweltministerinnen vorgelegt und von ihnen Antworten erhalten, die der jeweiligen politischen Linie entsprachen.

Anlässlich der Koalitionsgespräche zum Klimaschutz im September 2019 ergreifen wir die Gelegenheit, einen an der gegenwärtigen Entwicklung fortgeschriebenen Entwurf für die ökonomische Steuerung des Klimawandels vorzulegen, der zum Ziel führt, das Abkommen von Paris 2015 sicher einzuhalten.

Kernpunkte sind, dass die kontinuierliche Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen wirklich gewährleistet ist, und die entsprechenden wirtschaftlichen Veränderungen und Preise sozial ausgeglichen werden. Wir legen eine Halbierung der Emissionen in jeweils 10 Jahren unseren Vorschlägen zugrunde, was aus wissenschaftlicher Sicht wohl Konsens ist. Die Vorschläge sind sowohl auf Deutschland, die EU und auch andere Wirtschaftsräume mit ihren spezifischen Voraussetzungen anwendbar.

Sollen CO2 und andere Klimagase einen Preis haben? Ja.
Soll der Preis festgelegt werden? Nein. Er soll für alle fossilen kohlenstoffhaltigen Rohstoffe und für alle CO2 emittierenden Prozesse wie Zementherstellung und Landwirtschaft als einheitlicher zeitlich sich entwickelnder Marktpreis sich darstellen und wirken.


Der Weg besteht in der Weiterentwicklung des gegenwärtigen Emissionshandelssystems (ETS):

Die Zertifikate werden verkauft und/oder versteigert nur noch an Unternehmen, die Kohle, Erdöl, Erdgas und andere kohlenstoffhaltige Rohstoffe fördern oder in den Wirtschaftsraum importieren. Kostenlose Zertifikate werden vollständig abgeschafft wie es schon in der Tendenz des jetzigen ETS angelegt ist. Die jährlich zu vergebenden Zertifikate folgen genau der vorgegebenen Reduktionskurve. Die jährliche Deckelung der Klimagasmenge halten wir für den einzigen Weg, der sich noch zu diskutieren lohnt, auch wenn er ökonomisch und gesellschaftlich schwer zu gehen sein wird. Der CO2-Preis (Klimagaspreis) ergibt sich aus dem Marktgeschehen. Primär werden damit die Rohstoffe jährlich teurer. Es ist Aufgabe der Marktwirtschaft, der Industrie, der Finanzwirtschaft und des Handels, diese erhöhten Rohstoffpreise in kostengünstige Produkte umzusetzen. Durch den Marktmechanismus werden Produkte und Dienstleistungen bevorzugt erzeugt werden, für deren Herstellung ein verringerter Anteil an kohlenstoffhaltigen Rohstoffen benötigt wird. Das heißt zusammengefasst, der Staat gibt nur noch die jährlich erlaubte CO2-Menge vor und die Intelligenz der Menschen und des Marktes optimieren die Umsetzung.

In diesem System sind Energieerzeugungs-Unternehmen nicht mehr direkt im Emissionshandelssystem, sondern die Vorlieferanten aus der Rohstoff-Industrie und dem grenzüberschreitenden Einkauf. Der Strompreis ergibt sich nicht mehr aus staatlichen Vorgaben wie CO2-Steuern oder ähnlichem, sondern aus dem Markt.

Das System einzuführen erfordert eine gewisse Zeit. Deshalb schlagen wir für die nächsten 3 bis 5 Jahre eine sofort einführbare Übergangslösung, einen leichter zu verwirklichenden Zwischenschritt vor, der sich auch an den gegenwärtigen Diskussionen orientiert. Diesem Vorschlag folgend zahlen die Unternehmen, die die Rohstoffe fördern und importieren, einen CO2-Mindestpreis, der jährlich oder in kleineren Schritten staatlich vorgegeben wird und sich zunächst an anderen ambitionierten Staaten und dem oben genannten CO2-Reduktionsziel orientieren soll. Durch diese Maßnahme erfolgt eine schnelle Reduktionswirkung. Es wird damit aber das Reduktionsziel nicht zwangsläufig erreicht, weshalb die zügige Veränderung des ETS hin zu einer automatischen marktwirtschaftlichen Klimawandelsteuerung dringend ist.

Die soziale Ausgestaltung geschieht unserer Auffassung nach dadurch, dass alle Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, egal ob aus CO2-Mindestpreis oder Zertifikate-Verkauf, gleichmäßig an die Bevölkerung ausgeschüttet werden soll, denn die Kosten für die kohlenstoffhaltigen Rohstoffe verursachen für Konsumenten Preiserhöhungen, die kompensiert werden müssen, und zwar mit der vorgeschlagenen Maßnahme verstärkt für die Leute mit kleinem Geldbeutel. Aber jeder Markteilnehmer kann in der Tendenz die höheren Preise der CO2-belasteten Produkte vermeiden, in dem er Produkte mit geringerem CO2-Anteil kauft. Das trifft auch auf Benzin, Heizöl und -gas und Strom zu. Alle, Produzenten, Händler und Konsumenten werden nach Produkten streben, die klimagünstiger sind.

Wir möchten zu diesem Sozial-Vorschlag ergänzen, dass es viele Abwandlungen dazu gibt. Manche meinen, dass man einen Teil der Einnahmen zur Förderung klimafreundlicher Technologien verwenden sollte, auch wenn damit die Gefahr verbunden ist, dass mit der Förderentscheidung bestimmte Technologien bevorzugt werden. Wir haben auch Vorschläge zur Ausweisung der Klimakosten in den Preisen, zur Vermeidung von Carbon-Leakage an den Grenzen des Wirtschaftsraumes, für den Export von Wirtschaftsgütern und die Intergration des bisherigen Subventionssystems. Das oben genannte System wird am besten funktionieren, wenn alle Wirtschaftsteilnehmer bei den notwendigen Innovationen und Investitionen unterstützt werden. Durch eine verlässliche und klare Vorgabe des Weges bis 2050 wird es leicht sein, dass Banken und alle Wirtschaftsteilnehmer die notwendigen Schritte gehen werden. Wir können auch vorschlagen, wie Methan-Leakage, die Emissionen aus der Landwirtschaft und aus industriellen Prozessen in der Steuerung des Klimawandels einbezogen werden können. Abschließend erwähnen wir, dass das vorgestellte System auch Ansätze bietet, die Probleme der Artenvielfalt und der Überschreitung oder Bedrohung der planetaren Grenzen zu meistern. Gern würden wir mit Ihnen aus der Exekutive zu diesen Aufgaben im Gespräch bleiben.

Wir wünschen Ihnen und damit uns Menschen viel Erfolg bei den anstehenden Koalitionsgesprächen. Freundlich grüßt i.A.





Friedrich Naehring


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